Reisebericht 19 vom 28.12.06 – 11.01.07: Panama - Kaffee, Karibik und Kanal


Route: David – Boquete – Nationalpark Barú – Gualaca – Lago Fortuna - Chiriquí Grande – Almirante – Santiago – Playa Venaó – Chitré – Santa Clara – Panama City – Portobelo – Sierra Llorona – Colón – Panama City


“Führen Sie Obst oder Gemüse mit sich?” – so lautet eine der Fragen auf dem Einreiseformular, das man uns an der Grenze zu Panama in die Hand drückt. Wir bleiben die Antwort schuldig, schließlich ist unsere Kühlbox mal wieder randvoll mit Essen. Der Beamte, der den Zettel entgegennimmt, setzt das Kreuzchen bei „Nein“ und lächelt nur, als ihm bei der anschließenden Inspektion des Fahrzeugs eine Kokosnuss vor die Füße rollt. Das sei ja schließlich kein Obst, meint er und erklärt die Inspektion für abgeschlossen. Wir dürfen einreisen. Samt Obst und gemüse. Wieder einmal Glück gehabt.

 

Unser erstes Ziel ist David, die drittgrößte und sicherlich die heißeste Stadt in ganz Panama. Hier kaufen wir uns ein Handy mit einer Pre-Paid-Karte von Movistar – denn für die Organisation der Verschiffung, so denken wir uns, kann es nie schaden, erreichbar zu sein. Doch dieses Jahr wird das nichts mehr mit der Verschiffung – Silvester steht vor der Tür und auch hier wird zwischen den Feiertagen nur sporadisch gearbeitet. Also fahren wir erst einmal in die kühle Bergregion nach Boquete und zum Nationalpark Barú. Der Vulkan Barú ist mit 3475 Metern der höchste Berg Panamas. Der Aufstieg auf den Gipfel dauert ca. 8 Stunden. Aufgrund des noch nicht ganz abgeklungenen Muskelkaters der letzten Bergbezwingung begnügen wir uns damit, uns den Barú von unten anzusehen.

 

Boquete ist ein kleiner Ort, umrahmt von Bergen und Kaffeeplantagen, mit vielen Wandermöglichkeiten und einem angenehmen Klima. Kein Wunder also, dass nahezu die gesamte Umgebung von amerikanischen Investoren aufgekauft worden ist und nun in adretten Wohnparks jede Menge Altersruhesitze für wohlhabende amerikanische Senioren zum Verkauf stehen.

 

Panama ist das Land der Chiquita-Bananen. Die gelben Früchte sind Panamas Exportgut Nummer eins. Wir machen uns auf den Weg zur Karibikküste, nach Almirante, wo die Bananen in den Häfen auf Frachter verladen werden. In unserer Vorstellung rollen Tonnen von Bananen auf offenen Güterwagons von den Plantagen zur Küste. Doch in Almirante müssen wir uns eines besseren belehren lassen: Die Schienen sind zugewachsen, die Bananen werden in geschlossenen und gekühlten Containern auf LKWs transportiert und direkt aufs Schiff verladen. Almirante selbst ist eine typische karibische Kleinstadt: bunte Holzhäuser, alles wirkt marode und vernachlässigt. Die Menschen verbringen den Tag im Schaukelstuhl auf der Veranda oder lotsen Touristen zu den Wassertaxis, die von hier aus übersetzen auf die vorgelagerten Inseln, die „Bocas“.

 

Auch wir wollen wieder einmal ein paar Tage am Meer verbringen – allerdings auf der Pazifikseite, auf der Azuero-Halbinsel. Mit jedem Kilometer, den wir uns der Halbinsel nähern, verändert sich die Landschaft. Wir verlassen das tropisch feuchte Klima der Bergnebelwälder und finden uns plötzlich in einer trockenen, heißen Ebene wieder, in der nur noch vereinzelt Bäume stehen. Wir fahren vorbei an unendlichen Weideflächen. Die einstigen Wälder wurden abgeholzt, der Wind kann ungehindert übers Land fegen, die Spuren der fortschreitenden Bodenerosion sind deutlich sichtbar. 150 Kilometer sind es vom Abzweig der Panamericana bis zur Spitze der Halbinsel. Aber wegen der streng kontrollierten Geschwindigkeitsbegrenzungen dauert es drei Stunden bis wir endlich an der „Playa Venaó“ ankommen. Der dunkle Strand an einer malerischen Bucht ist vor allem bei Surfern beliebt. Geparkt und gecampt wird direkt am Strand, vor einem kleinen Fischrestaurant – das ausgerechnet an Silvester keinen Fisch anbietet. So kochen wir zum letzten Mal in diesem Jahr selbst: Spagetti mit in Öl gerösteten Cashew-Kernen und Knoblauch, dazu gibt es Rotwein aus dem Tetrapak. Prosit Neujahr!

 

Am Neujahrstag packen wir unsere Siebensachen und fahren Richtung Panama-City. In Chitré machen wir Halt, denn hier steppt der Bär. Der ganze Ort ist auf den Beinen und Jung und Alt tanzt zu Techno-Rhythmen auf der Plaza. Um die Tanzenden vor Überhitzung zu schützen, stehen mehrere Tankfahrzeuge um die Plaza herum und verspritzen Wasser aus riesigen Feuerwehrschläuchen.

 

Bevor wir endgültig nach Panama-City fahren, statten wir noch dem Ort „El Valle“ einen Besuch ab. Der Ort liegt malerisch in einem Vulkankrater und ist wegen seines kühlen Klimas ein beliebtes Ausflugsziel der Panamaer. Von den unzähligen Wanderungen, die in der Umgebung möglich sind, entscheiden wir uns lediglich für einen kurzen Spaziergang zum „Piedra Pintada“, einer Felszeichnung aus präkolumbischer Zeit. Kaum parken wir unser Auto, schon werden von Kindern umringt, die uns ihre Dienste als Führer anbieten. Wir lehnen dankend ab. Ein breiter, asphaltierter Weg führt uns nach nur fünf Minuten Gehzeit zu einem überhängenden Felsblock, auf dem ein paar Zeichnungen zu sehen sind. Wir setzen uns auf einen Stein und werden kurze Zeit später Zeugen einer echten Kuriosität. Eines der Kinder hat ein junges Pärchen im Schlepptau und beginnt, mit fachkundiger Miene, die Zeichnungen im Fels zu erklären. Obwohl die Zeichnungen bis heute noch nicht von

den Wissenschaftlern entschlüsselt werden konnten, weiß dieser Junge genau, dass es sich um eine Landkarte handelt. „Dieser Kreis“, so erklärt er, „beschreibt den Eingang und den Ausgang einer Höhle“.

 

Und dann endlich ist es soweit: Wir fahren über die „Puente de las Americas“ – jene berühmte Amerikabrücke, die zu den größten Stahlbrücken der Welt zählt, und die die beiden Teile Panamas links und rechts des Kanals miteinander verbindet, über den Panamakanal, hinein nach Panama-City. Der Yachtclub Balboa auf dem Armador, jener beim Bau des Kanals künstlich aufgeschütteten Landzunge, gilt als Treffpunkt für Reisende. Wir drehen unsere Runden auf dem Parkplatz – aber weit und breit ist kein anderes Reisemobil zu sehen. Und auch der Yachtclub sieht nicht so aus, wie man sich einen Yachtclub für gewöhnlich vorstellt, sondern eher wie ein Strandcafé. Wir fahren erst einmal weiter, gehen

einkaufen, machen ein bisschen Sightseeing – und kehren abends wieder zurück. Zu unserer Überraschung steht tatsächlich ein Camper auf dem Parkplatz – und zu unserer großen Freude prangt unübersehbar das Schweizer Kreuz auf der Tür. Doris und René fahren ebenfalls von Norden nach Süden, wollen nach Kolumbien verschiffen und von dort weiter nach Venezuela. Es gibt viel zu erzählen und wir verbringen einen langen Abend in der Wohnkabine ihres Campers.

 

Am nächsten Tag, als wir unsere E-Mails checken, zeichnet sich bereits ab, dass auch wir wohl nach Kolumbien verschiffen. Die einzige qualifizierte Antwort auf unsere Anfragen an die hiesigen Reedereien, kam von Evelyn Baptista von Barwil, mit der schon viele Reisende vor uns positive Erfahrungen gemacht haben. Wir telefonieren mit Colin und Liz, die wir in Costa Rica kennen gelernt haben und mit denen wir uns evtl. einen 40-Fuß-Container teilen wollen – wohin auch immer die Reise geht. Die beiden haben nichts gegen Kolumbien einzuwenden. Und eine Verschiffung im Container ist ihnen auch Recht – spontan treffen wir uns noch am selben Nachmittag im Büro von Barwil und machen Nägel mit Köpfen.

 

Am nächsten Tag machen wir uns auf, den notwendigen Papierkram zu erledigen. Dazu müssen wir erst auf die Polizei, damit diese überprüfen kann, ob unser Landy in einen Unfall verwickelt war und überhaupt ausreisen darf. Danach geht’s zum Zoll, um den Landy aus dem Pass austragen zu lassen, damit wir ohne Auto ausreisen dürfen. Obwohl in Colins Dokumenten ein Zahlendreher enthalten ist und wir eine „Korrekturschleife“ drehen müssen, geht es zügig voran – und noch am selben Nachmittag stehen wir mit allen Papieren wieder in Evelyns Büro. Sie macht uns Kopien aller Dokumente und händigt uns eine vorläufige Bill of Lading aus. Auch Doris und René sind mit ihren Behördengängen fertig. Sie verschiffen allerdings RoRo  – was für uns nicht in Frage kommt, weil wir zwischen Fahrerraum und Wohnraum keine Trennwand einziehen und so unsere Sachen nicht „wegsperren“ können.

 

Die Zeit bis zum Verladen unserer Fahrzeuge nutzen wir, um noch das eine oder andere zu reparieren, noch mal einen Kundendienst machen zu lassen – und natürlich, um noch ein bisschen was von Panama-City und Umgebung zu sehen. Unsere kleine „Reisegruppe“ macht sich geschlossen auf den Weg ins Altstadtviertel Casco Viejo. Die Alstadt liegt auf einer Halbinsel, direkt zwischen dem Armenviertel der Stadt und dem Business Destrict. An den alten Kolonialstilhäuser nagt deutlich der Zahn der Zeit, doch einige sind bereits restauriert und lassen erahnen, wie prunkvoll es hier einst ausgesehen haben mag. Wir machen einen Abstecher ins Kanal-Museum, bevor es dann endgültig weiter geht zu den Miraflores Schleusen. Über Lautsprecher erfahren die staunenden Touristen Hintergrund-Infos zum Panamakanal. Der Kanal, der von den Franzosen begonnen und von den Amerikanern 1914 schließlich fertig gestellt wurde, ist 81,6 Kilometer lang, 153 Meter breit und 12 Meter tief. Täglich werden etwa 35 große Frachtschiffe durch den Kanal geschleust. Die Kanalgesellschaft schickt dazu Lotsen an Bord der Schiffe, die die Durchfahrt überwachen. Die anfallenden Kosten berechnen sich nach „Panamakanal-Nettotonnen“, wobei etwa 2,83 Kubikmeter des kommerziell nutzbaren Schiffraums (egal ob beladen oder unbeladen) einer Panamakanal-Nettotonne entsprechen. Bei großen Container-Frachtern fallen schnell mal über 200.000 US-Dollar an. Die Gebühr für die Durchfahrt muss mindestens 48 Stunden im Voraus bezahlt werden und auf dem Konto der Kanalgesellschaft eingehen. Im Durchschnitt braucht ein Schiff 12 Stunden, bis es den Kanal durchfahren hat. Fasziniert sehen wir dem Heben und Senken der Schiffe zu. Und kritisch beäugen wir die Containerberge, die sich an Deck stapeln. Schon bald wird auch unser Landy in einem solchen Container stehen.

 

Von der Sierra Llorona Lodge aus starten wir zu einem Ausflug nach Portobelo. Der „schöne Hafen“ verdankt seinem Namen keinem geringeren als Christoph Kolumbus, der vom Anblick der malerischen Bucht und dem türkisblauen Wasser wohl ebenso angetan war wie wir. Nach einem Rundgang durch die Stadt und entlang der Festungsmauern fahren Tobias und ich weiter zur Gatún-Schleuse. Der riesige Gatún-Stausee entstand beim Culebra-Durchstich, der prekärsten Stelle beim Bau des Kanals, weil hier am Culebra-Bergrücken die kontinentale Wasserscheide verläuft.

 

Dann ist er da, der große Tag der Verschiffung – und er beginnt mit einer Verspätung. Statt wie geplant um 10 Uhr kommen wir erst gegen 11.30 Uhr im Hafengelände an. Dort bereitet man sich jedoch schon auf die Mittagspause vor. Wir bekommen einen Inspektionstermin beim Zoll für 13 Uhr und um 13.30 Uhr wird verladen. Wir nutzen die Wartezeit für ein Mittagessen in der Hafenkantine. Danach wollen wir uns gestärkt ans Werk machen – aber laut Anweisung dürfen nur 2 Personen den Hafen betreten. Liz und ich warten also außen auf der Bank, während Tobias und Colin die beiden Fahrzeuge in den Container fahren. Zuerst muss der Landy rein. Nur ganz knapp passt er durch die Tür – wäre die Tür nur zwei Zentimeter niedriger, so hätten wir doch noch unseren Dachgepäckträger abbauen müssen. Tobias atmet auf. Dann fährt Colin seinen Camper in den Container – und passt links und rechts so knapp rein, dass er keine Möglichkeit mehr hat, die Fahrzeugtür zu öffnen. Notgedrungen muss er durch das Fenster aussteigen, über die Motorhaube klettern und sich unter dem Fahrzeug durchhangeln. Nichts für dicke Leute. Eine Stunde später sitzen wir bereits im Expressbus nach Panama-City. Wir verbringen noch eine Nacht im Hotel, gehen noch einmal schnell ins Internet und zum Friseur, bevor wir dann unser Flugzeug nach Cartagena, Kolumbien besteigen. Eigentlich wären wir gern noch länger gebieben. Panama hat noch so viel zu bieten, das wir nicht gesehen haben: Die Kuna-Indianer zum Beispiel, die San-Blas-Inseln und die Darién-Region, jenes Sumpfgebiet zwischen Panama und Kolumbien, das nur zu Fuß oder per Boot durchquert werden kann. Alles in allem drei gute Gründe, um zurückzukehren. Irgendwann.


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