Reisebericht 27 vom 16.06.07 – 25.06.07:  Auf der gefährlichsten Straße der Welt unterwegs in Bolivien


Route: La Paz – Yungas – Rurrenabaque – Pampa – Serere – San  Ignacio de Moxos – Trinidad – San Javier – Concepción – San Ignacio de Velasco – San Miguel – San Rafael – Santa Ana – San Matias


Viele haben schon von ihr gehört oder sie im Fernsehen gesehen. Die »gefährlichste Straße der Welt«, die »Death Road«, wie sie auch genannt wird, weil sie seit ihrem Bestehen Tausende Todesopfer gefordert hat, führt von La Paz hoch auf den Abra La Cumbre (4.650 m) und von dort hinunter in die Yungas. Auf einer Länge von 40 Kilometern geht es stetig und steil etwa 3.000 Höhenmeter bergab. Die Straße – oder vielmehr die Schotterpiste – ist an den meisten Stellen nicht breiter als eine Fahrspur. Rechts ragen Felswände in den Himmel, links klafft der kilometertiefe Abgrund. Hinzu kommen nicht einsehbare Steilkurven und eine Verkehrsregelung, die es in sich hat: Auf der Death Road herrscht Linksverkehr. Damit der abwärts fahrende Fahrer – zum Beispiel bei Ausweichmanövern – näher am Abgrund sitzt und damit eine bessere Kontrolle über sein Fahrzeug hat. Wer nach oben fährt, also in Richtung La Paz, hat Vorfahrt. Wer hingegen von La Paz hinunter in die Yungas fährt, muss ausweichen. Wir kommen von La Paz und wollen in die Yungas. Seit vier Monaten gibt es eine neue Straße hinunter ins Tiefland, breit und asphaltiert. Seit vier Monaten also rollt der gesamte Verkehr über die neue Straße und nicht mehr über die alte, gefährliche. Obwohl darüber diskutiert wurde, die alte Straße ganz zu schließen, ist sie nach wie vor befahrbar – und wird auch regelmäßig genutzt, und zwar von lebensmüden Touristen. Wer kein eigenes Fahrzeug hat, der mietet sich in La Paz bei einem der Touranbieter ein Mountainbike und heizt damit die Death Road hinunter. Kreuze am Straßenrand zeugen von unzähligen missglückten Versuchen, den Geschwindigkeitsrekord auf dieser Strecke zu knacken. Es sind auffallend viele Kreuze mit israelischer Inschrift darunter. Die, die es überlebt haben, tragen anschließend mit vor Stolz geschwellter Brust T-Shirts mit der Aufschrift »Death Road Surviver«. Nervenkitzel oder nur ein Marketing-Gag? Ist die Death Road denn überhaupt noch das, was der Name verspricht – so ganz ohne Verkehr? Wir wollen es genau wissen und fahren sie. Immer schön auf der linken Seite, obwohl uns auf den ganzen 40 Kilometern gerade mal zwei Autos entgegen kommen – die allerdings mit einem irren Tempo bergauf rasen, so dass es an ein Wunder grenzt, dass es sie nicht aus der Kurve trägt. Anfangs kämpfen wir uns durch dicke Nebelschwaden – auch gut, denn so sieht man wenigstens den Abgrund nicht. Als der Nebel sich lichtet, genießen wir die atemberaubende Aussicht. Immer wieder halten wir an, um das Panorama in uns aufzusaugen und um Fotos zu machen. Sicher, mit Bussen, die hinter der Kurve plötzlich vor einem stehen, mit PKWs, die von hinten drängeln, und mit LKWs, die sich viel zu schwer beladen die steilen Serpentinen hinauf kämpfen, womöglich noch bei Regen und schlechter Sicht, wäre diese Straße garantiert kein Spaß, sondern Adrenalin pur. Doch diese Zeiten sind wohl endgültig vorbei. Heute ist die Death Road nicht anspruchsvoller als ein durchschnittlicher schweizerischer Almweg. Bei Coroico treffen die alte und die neue Straße wieder zusammen. Nun liegt sie also hinter uns, die gefährlichste Straße der Welt – glauben wir. Doch es ist die Strecke, die danach kommt, die uns das Fürchten lehrt.

 

Ab Coroico ändert sich erst einmal nichts am Straßenverlauf: eine Fahrspur breit, steile und enge Kurven, links der Abgrund, rechts die Felswand. Eines jedoch ändert sich schlagartig: Der Verkehr. Plötzlich sind wir nicht mehr allein auf der Straße. Plötzlich kommen uns Autos, LKWs, Busse entgegen, mit einem Tempo, als wäre der Teufel persönlich hinter ihnen her. Am Steuer sitzen »Kinder«, bei denen wir uns manchmal fragen, ob sie ihren sechzehnten Geburtstag wohl noch vor sich haben. Der Untergrund ist staubig, die Staubkörner, hundertmal feiner als Sand und vor allem leichter, schweben – einmal aufgewirbelt – noch ewig in der Luft und trüben die Sicht. Der feine Staub dringt außerdem durch alle Ritzen und wirbelt im Auto umher, so dass wir teilweise die Hand nicht mehr vor Augen sehen können. Und wenn sich der Staub verzieht, taucht aus der Wolke bereits das nächste Fahrzeug auf. Obwohl wir – wie wir es aus Peru gewohnt sind – vor jeder Kurve hupen, reagiert hier niemand auf unsere Signale. Immer wieder tasten wir uns vorsichtig um Kurven, um unvermittelt einem scharf bremsenden LKW gegenüber zu stehen. Manchmal fehlen bis zum Zusammenstoß nur ein paar Zentimeter. Ein Truck zwingt uns dazu, wenige Millimeter am Abgrund zu rangieren. Er steht vor uns wie eine Wand und weicht kein Stück.

 

Ab Caranavi wird die Straße endlich breiter. Es gibt auch keinen Abgrund mehr, in den man fallen kann. Dafür weiß jetzt keiner so genau, ob und wann der Linksverkehr endet. Schilder am Straßenrand weisen uns auf die rechte Fahrspur. Doch dort kommen uns wild hupend gleich mehrere Fahrzeuge entgegen und zwingen uns wieder nach links. Wir entscheiden uns für den Mittelweg. Bisher war die Straße staubig und knochentrocken. Kurz vor Yucumo allerdings stehen wir plötzlich mitten im Schlamm. Die letzten Reste der Regenzeit. Die LKWs haben mit ihren großen Reifen tiefe Rillen in den Matsch gefahren und den Schlamm so richtig durchgepflügt. Für den Landy mit seiner schmalen Spurbreite ist es harte Arbeit, einen Weg hindurch zu finden. Wir haben etwa zwei Drittel des Schlammstückes hinter uns gebracht, als von der Gegenseite ein Truck in das Schlammstück fährt und genau vor uns stehen bleibt. Wir sollen ausweichen, gibt uns der Fahrer nicht gerade freundlich zu verstehen. Um uns herum knietiefer Matsch. Für uns keine Chance. Für den LKW-Fahrer kein Problem. Doch der will nicht. Stattdessen rückt er immer näher. Eine Weile stehen wir Stoßstange an Stoßstange – dann geben wir nach und fahren langsam, so langsam wie nur möglich, Stück für Stück durch den Matsch zurück. Nicht die Straßen sind gefährlich in Bolivien – die Fahrer sind es.

 

Als wir endlich – nach insgesamt 18 Stunden Fahrt – in Rurrenabaque ankommen, sind wir und unsere Fahrzeuge von oben bis unten mit einer Dreckschicht überzogen. Die Dame im Hotel, auf deren Rasen wir die Autos parken wollen, freut sich trotzdem, uns zu sehen. Wir sind die ersten Fahrzeuge in diesem Jahr. »Die Straße ist offen«, heißt das für sie. Wir klopfen den Staub ab und machen uns ohne Umwege auf den Weg in die Stadt. Rurrenabaque ist ein touristischer Dschungelort, idyllisch am Beni-River gelegen – und idealer Ausgangspunkt für Exkursionen in den Dschungel und in die Pampa. Und aus genau dem Grund sind wir hier. Gleich am nächsten Morgen geht es los in die Pampa. Zu neunt – obwohl laut Prospekt die maximale Gruppengröße acht beträgt – fahren wir mit dem Jeep nach Santa Rosa und von dort weiter mit dem Boot auf dem Yacuma-River bis ins Urwald-Camp. Schon auf dem Weg dorthin sehen wir Unmengen Tiere: Schlangen, Alligatoren, Wasserschildkröten, Affen, Störche, Reiher, Kingfisher, Paradiesvögel und Flussdelfine. Wir  hatten erwartet, auf der ganzen Tour einen, zwei, vielleicht auch drei der rosafarbenen Süßwasserdelfine zu Gesicht zu bekommen – aber in den schwarzen Gewässern tummeln sich hunderte dieser Tiere. Immer wieder kommen sie an die Oberfläche, um Luft zu holen. Sie haben eine eigenartige, lange Schnauze, mit einer Delle hinter dem Kopf. Beim Abtauchen sieht man deutlich ihre Flosse, die tatsächlich rosa schimmert. Die Farbe sei ein Zeichen des Alters, meint unser Guide, je älter, desto mehr Rosa. Sehr viel mehr sagt er nicht, die ganzen drei Tage nicht. Viel lieber steuert er das Motorboot mit Vollgas durch die Wasserpflanzen und inszeniert Beinahe-Zusammenstöße mit anderen Motorbooten. Überhaupt gewinnt man den Eindruck, dass sich weder die Guides noch die Touristen übermäßig für die Tiere interessieren, sondern die Tour eher als Badeausflug verstehen. Eines der Highlights der Tour – vom allabendlichen Besuch der Sunset-Bar mal abgesehen – ist denn auch das Schwimmen mit den Flussdelfinen. Natürlich springen alle an einer Stelle ins Wasser, an der kein einziger Delfin zu sehen ist. Was aber ist mit den Alligatoren, den Piranhas und den giftigen Wasserschlangen …?

 

Wenig später stapfen wir mit Gummistiefeln ausgerüstet durch die Pampa und suchen die größte Schlange der Welt, die Anakonda. Die eigentliche Pampa ist eine  Graslandschaft, die die meiste Zeit mehr oder weniger unter Wasser steht. Im Juni ist sie bereits gut abgetrocknet, nur noch wenige Zentimeter Wasser bedecken den Boden. Die Gräser und Wasserpflanzen sind ein guter Untergrund, um darauf zu laufen. Hier irgendwo unter dem ganzen Grün leben die Anakondas. Doch die einzige Schlange, die wir finden, ist eine Cobra. Ob giftig oder nicht, das kann uns unser Guide nicht so genau sagen. Er packt sie am Schwanz, zieht sie aus dem Matsch, hebt sie hoch und drückt sie mir in die Hände. Die Schlange fühlt sich warm und weich an.

 

Letzter Programmhöhepunkt ist das Piranha-Fischen. Auf kleinen Angelhaken befestigen wir winzige Stückchen von rohem Fleisch und werfen sie ins Wasser. Zuerst tut sich gar nichts, dann spürt man einen Ruck an der Angelschnur. Jetzt muss man die Schnur blitzschnell aus dem Wasser reißen. Geschwindigkeit ist das A und O beim Piranha-Fischen. Wir sind zu langsam, unsere Angelhaken kommen leer aus dem Wasser. Unseren Mitstreitern geht es nicht anders. Aus unserer Vierergruppe ist Liz die einzige, die einen Fisch fängt. Wir dagegen füttern die Piranhas, statt sie zu fangen.

Der Ausflug in die Pampa ist, obwohl extrem touristisch, trotzdem ein Erlebnis. Das tiefschwarze Wasser, in dem sich das Ufer spiegelt, die vielen Tiere, die fantastischen Farben, die Stille … ein Eindruck, der nachwirkt. Entsprechend ruhig ist es auf der Rückfahrt – bis zu dem Moment, in dem unser Fahrer einen jungen Hahn kauft und das Tier demjenigen in die Hand drückt, der neben ihm auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat. Dummerweise kommt derjenige ausgerechnet aus Korea und ist wahrscheinlich durch die Geschichte mit der Vogelgrippe vorbelastet. Jedenfalls zieht der Koreaner schreiend seine Hand zurück und lässt das Hühnchen fallen. Der Fahrer fängt das panisch flatternde Tier lachend wieder ein und steuert den Wagen zwei Stunden lang einhändig über die sandige Buckelpiste – denn in der anderen Hand hält er das Hühnchen. Wofür das denn sei, wollen wir wissen, zum Essen? Nein, nein, unser Fahrer lacht, der Hahn sei nicht für den Kochtopf bestimmt, sondern für den Kampf. Sollen wir das Hühnchen nun beglückwünschen oder bedauern?

 

Ein Aufenthalt im bolivianischen Tiefland wäre nicht komplett ohne Ausflug in den Dschungel. Aus einem unüberschaubaren Angebot von Touren und Dschungel-Lodges wählen wir die Serere-Lodge aus – die Rosa Maria Ruíz gehört, jener bolivianischen Umweltschützerin, die das Team von National Geographic seinerzeit auf seiner Expedition durch den Madidi-Nationalpark geführt hat, und die im Jahre 2000 für ihre Arbeit den »Conservation Award« gewonnen hat. Sie kommt einen Tag nach uns an. Es ist das erste Mal seit Monaten, dass sie der Serere-Lodge wieder einen Besuch abstattet – genau genommen seit ihrem Unfall. Beim Schwimmen im See wurde sie von einem Kaiman attackiert. Ihrer Liebe für die Tiere und für die Natur hat das keinen Abbruch getan. Als sie uns von ihren Plänen für die Zukunft erzählt, funkeln ihre Augen vor Tatendrang.

 

Die Serere-Lodge liegt wunderschön an einem See. Das Gebäude wie auch die Cabanas sind nach allen Seiten offen, die Wände sind lediglich aus Moskitonetzen. Ideal, um beim Aufwachen dem Vogelgezwitscher oder dem kehligen Geschrei der Brüllaffen zu lauschen oder um, auf dem Bett liegend, nach Tieren Ausschau zu halten. Wir fahren mit dem Ruderboot hinaus auf den See, folgen unserem Guide durchs Dickicht, überwinden auf schmalen Baumbrücken große Wasserlöcher und staunen über die Wunder des Dschungels. Da gibt es zum Beispiel einen Baum, mit dem man Hilfe rufen kann, wenn man sich verirrt hat. Man schlägt einfach mit einem Holzstück gegen seinen Stamm; der dumpfe Klang ist mehrere Kilometer weit zu hören. Es gibt Lianen, die in ihrem Inneren reines Wasser enthalten – man kann sie aufschneiden und ihren Saft trinken. Es gibt einen Baum, dessen Rinde so giftig ist, dass sogar die Fische sterben, wenn der Baum umkippt und in einen See fällt. Das Sonderbarste ist aber ein Baum, der, wenn sich sein Stamm im Wind biegt, ein Geräusch macht, das dem Schrei eines Menschen ähnelt. Wir beobachten Chinchillo-Äffchen, die von Ast zu Ast springen – und dabei ab und zu Halt machen, um uns zu beobachten. Wir inspizieren die Spur eines Tapirs und eines Jaguars – zu sehen bekommen wir die scheuen Tiere leider nicht. Dafür aber flattert ein Vertreter einer anderen Art ständig um uns herum: der riesige, leuchtend blaue Morphos-Schmetterling.

 

Ist der Dschungel bei Tag schon manchmal unheimlich, dann erst recht bei Nacht. Immer wieder bleiben wir auf unserer Nachtwanderung stehen, schalten unsere Taschenlampen aus und horchen aufgeregt in die Dunkelheit, ob wir nicht irgendwo ein Tier laufen oder schmatzen hören. Wir sehen ein Agouti, eine Baumratte, Frösche und die wahrscheinlich größte Vogelspinne der Welt – größer als meine Hand. Nicht, dass ich vorgehabt hätte, sie in die Hand zu nehmen … Niemals!

 

Nächstes Ziel: Trinidad. Der Regen war dieses Jahr heftiger als gewöhnlich und hat unter anderem große Teile der Straße zwischen Rurrenabaque und Trinidad zerstört. So lange ist die Regenzeit noch nicht vorbei – ist die Straße schon wieder hergerichtet und befahrbar? Der Bus kam durch – dann schaffen wir das auch, machen wir uns Mut. Doch in der Nacht, bevor wir aufbrechen wollen, regnet es. Wir befürchten das Schlimmste – aber der Regen reicht gerade aus, um den Staub zu binden und der Straße eine feste Oberfläche zu verleihen. So fährt es sich richtig angenehm. Ab San Borja führt die Strecke durch eine faszinierende Sumpflandschaft, den Llanos de Moxos, die der Pampa allemal das Wasser reichen können. Wir sehen alle Tiere, die wir schon aus der Pampa kennen. Bei einer der Flussquerungen entdecken wir sogar Flussdelfine im Wasser. Insgesamt dreimal müssen wir auf einem hölzernen Ponton den Fluss queren. Viel Platz ist nicht auf den Fähren, unser Landy, der Camper, dann ist das Ding voll. Trinidad ist eine quirlige Stadt. Von hier aus wollten wir eigentlich ein paar Ausflüge in die nähere Umgebung unternehmen, um die endemischen blau-gelben Aras (Barba Azul) zu sehen – nach Chuchini zum Beispiel, einem Reservat ca. 15 km nördlich von Trinidad, und zur Hacienda Cutal, die etwa 90 km nördlich von Trinidad liegt (siehe dazu auch Länderinfos Bolivien). Doch dieses Unterfangen gestaltet sich schwierig. Das Hochwasser der Regenzeit hat nahezu alle nicht befestigten Straßen weggespült. Noch immer sind etliche der Reservas und Haciendas nicht mit einem Auto erreichbar. Wir sind ein bisschen zu früh dran …

 

Statt Aras gibt es alte Kirchen. Bei San Ramón biegen wir auf die Missionsroute ein. Die erste Jesuitenreduktion, die wir besuchen, ist die 1761 gegründete Mission San Javier. Die Kirchengebäude sind aus Holz und innen und außen mit aufgemalten Ornamenten verziert. Durch eine savannenartige Landschaft – zwischen den weit auseinander stehenden Palmen ragen immer wieder rote Termitenhügel in die Höhe – geht es weiter nach Concepción. Auf den ersten Blick sieht man, dass die Jesuitenkirche in Concepción den gleichen Bauherren hatte wie die in San Javier – und wie übrigens auch alle anderen auf der Missionsroute. Restauriert wurden sie auch alle von dem gleichen Mann, nämlich vom Schweizer Hans Roth, der für die Auffrischung der Malereien die Orginalfarben, also Farben aus Erde, Steinen und Pflanzen, verwendet hat.

Lediglich die Kirche von San Ignacio de Velasco sticht heraus, denn sie wurde 1999/2000 komplett neu erbaut – im alten Stil. Die kräftigen Farben wirken jedoch fast ein bisschen kitschig. Bevor wir auf die alte Straße nach San Matias einbiegen, drehen wir noch eine kleine Schleife und schauen uns auch noch die Missionskirchen von San Miguel, San Rafael und Santa Ana an.

 

Seit es die neue Straße von San Ignacio de Velasco zur Grenze gibt, ist auf der alten Straße von San Rafael nach San Matias nichts mehr los. Die alte Straße führt durch nahezu unberührten Urwald und mit ein bisschen Glück kann man jede Menge Tiere sehen. Ab und zu kommen uns ein paar Fahrzeuge aus den angrenzenden Haciendas entgegen, hin und wieder auch ein paar Trucks, die Tropenholz geladen haben. Einmal müssen wir einer Rinderherde weichen. Polizeikontrollen gibt es entlang der ganzen Strecke keine einzige. Die findet man jetzt entlang der neuen Straße. Der Soldat am einzigen Militärposten kurz vor San Matias entschuldigt sich galant für die Belästigung und bittet uns höflich, uns zu registrieren. Danach wünscht er uns eine gute Weiterreise.

 

Es ist Sonntag abend, als wir in San Matias ankommen. Hier müssen wir die Ausreiseformalitäten erledigen – doch vor Montag früh geht gar nichts. Auch die Tankstelle hat mangels Sprit geschlossen – wie im Übrigen alle auf der Strecke seit San Ignacio de Velasco. Wir fragen trotzdem nach – und siehe da, morgen früh um sechs Uhr gäbe es wieder tausend Liter Diesel, verrät uns der Tankwart. Um 6 Uhr 30 hat die Tankstelle noch immer zu. Um 7 Uhr sind sowohl der Landy als auch der Camper voll getankt. Jetzt müssen wir nur noch fürs leibliche Wohl sorgen. Im Supermarkt rüsten wir uns für Brasilien. 48 Dosen Bier und 5 Liter Zuckerrohrschnaps (für selbst gemixte Caipirinhas) werden in beiden Fahrzeugen zollsicher verstaut. Auch so eine Krankheit unter Reisenden: Man denkt immer, im nächsten Land gäbe es nichts mehr. Oder wenn doch, dann bestimmt viel teurer. Ein bisschen wehmütig fahren wir Richtung Grenze – die keine ist. Kein Schlagbaum, kein Grenzhäuschen, nichts. Nur irgendwann ein Schild neben der Schotterpiste, das anzeigt, dass dahinter Brasilien beginnt.

 

Wir haben uns wohl gefühlt in Bolivien. Die Bolivianer sind zwar ein sehr impulsives Volk, aber sie sind auch extrem freundlich, hilfsbereit und entspannt. Vor allem die Menschen im Beni-Tiefland haben mit ihrer Herzlichkeit und aufgeschlossenen Art unser Herz erobert. Hinzu kommt, dass das Land tatsächlich viel zu bieten hat. Die Cordillera Real, das Altiplano, die Salare, die Yungas, die Pampa, den Dschungel – und die Lagunen. Richtig, da war doch noch was. Die Lagunen haben wir ja noch nicht besucht. Und deshalb ist die Ausreise aus Bolivien nur ein Abschied auf Zeit. In ein paar Wochen sind wir wieder da. Hasta luego!


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