Reisebericht 06 vom 31.05.06 – 11.06.06: Canyons, Canyons, Canyons


Route: Valley of the Gods / Utah – Monument Valley / Utah – Grand Canyon, South Rim / Arizona – Hoover Damm / Arizona – Lake Mead / Nevada – Las Vegas / Nevada – Zion Nationalpark / Utah – Coral Pink Sand Dunes / Utah – Grand Canyon, North Rim / Arizona – Lake Powell / Utah – Paria Wilderness, The Wave / Arizona bzw. Utah – Bryce Canyon / Utah 


Monument Valley

Wir verlassen Colorado einen Tag nach Memorial Day

– dem Start der amerikanischen Feriensaison – und reihen uns ein in die Autokolonnen aus Wohnmobilen, Pick-ups mit Wohnaufbauten und Mobile Homes, um wie tausende andere in- und ausländische Touristen auch, die berühmten Canyons und andere Naturwunder der USA zu besichtigen.

Doch wir können es nicht lassen. Kurz vor dem Monument Valley scheren wir aus und biegen rechts ab ins Valley of the Gods, dem Tal der Götter. Keine Schranke, keine Eintrittsgebühren, keine Souvenirläden – dafür atemberaubende Felsformationen, die sich in der untergehenden Sonne zunehmend dunkelrot färben. Keine Frage, hier verbringen wir den restlichen Tag und die Nacht. Und dann, im Sonnenuntergang, hören wir die Götter singen. Der Wind pfeift durch die Löcher und Nischen der Felswände und spielt auf ihnen wie auf einer Flöte. Eine schaurig schöne Melodie.

 

Am nächsten Tag besuchen wir das Monument Valley und fahren mit unserem Landy vorbei an imposanten Kulissen, die man aus so manchem Western kennt. Niemanden würde es verwundern, wenn plötzlich John Wayne auf seinem Pferd um die Ecke geritten käme. Wir geben unserem Landy die Sporen und reiten über die Forrest Service Road 307 von hinten an den Südrand des Grand Canyons. Interessanterweise gibt es an diesem Zugang keine Schranke, so dass man den Nationalpark „kostenlos“ betreten kann – was uns aber eigentlich egal ist, weil wir bereits stolze Besitzer eines National Park Passes sind. Zusammen mit Hunderten von Touristen klappern wir entlang der Abbruchkante einen Aussichtspunkt nach dem anderen ab, steigen schließlich für das letzte Stück in den obligatorischen Shuttle-Bus und betrachten am Ende des Tages den Canyon mit seinen vielen Spitzen und Zacken und Plateaus im Sonnenuntergang. Ursprünglich hatten wir geplant, einen Hubschrauberflug über den Canyon zu unternehmen. Doch einen Canyon kann man nicht aus der Vogelperspektive erleben. Einen Canyon muss man sich erlaufen. Übereinstimmend beschließen wir, die 400 Euro für den Flug lieber zu sparen und auf unser virtuelles Antarktis-Konto zu legen. Vor zwei Jahren standen wir in Ushuaia, Feuerland, an der Hafenmauer und haben sehnsuchtsvoll den Schiffen auf ihrem Weg in die Antarktis nachgeschaut. Keine Zeit und viel zu teuer – waren damals die Gründe, die gegen eine Reise ins ewige Eis sprachen. Zumindest Zeit hätten wir ja diesmal …

 

Und was das Geld angeht, so steht ja Las Vegas als nächstes Ziel auf dem Programm. Je näher wir dieser Stadt mitten in der Wüste Nevadas kommen, desto höher klettert das Thermometer. Am Ende pendelt es sich bei 52 Grad ein. Wir flüchten umgehend in die klimatisierten Hotel- und Spielhallen. Überall blinkt und glitzert es. Die Hotels übertrumpfen sich gegenseitig mit originellen Fassaden und Innenausstattungen sowie mit extravaganten Shows und

Darbietungen. Vor und über dem Hotel „New York, New York“, das der Skyline der gleichnamigen Metropole nachempfunden ist, fährt eine Achterbahn. Im „MGM“ liegen Löwen auf einem Plexiglastunnel, so dass man unter ihnen hindurch gehen kann. Piratenschiffe werden versenkt, Vulkane brechen aus, Wasserfontänen tanzen zu klassischer Musik – und daneben locken einarmige Banditen und Spielhallen mit dem schnellen Geld. Las Vegas ist ein riesengroßer Spielplatz für Erwachsene. Wir holen uns eine Spielberechtigung, eine Plastikkarte, ohne die die einarmigen Banditen nicht anspringen, und gehen erst einmal ans Buffet. Ein fataler Fehler. Wir futtern uns so lange durch internationale Spezialitäten, bis wir nicht einmal mehr „Piep“ sagen können und die Fressnarkose einsetzt. Wir haben nur noch einen Wunsch: Schlafen. Kurzzeitig liebäugeln wir mit der Option, gleich auf dem Parkplatz des Excaliburs zu übernachten, neben den Wohnmobilen, die dort schon stehen, doch das ist uns dann doch zu laut und stickig. Wir fahren raus aus der Stadt an den Lake Mead und übernachten an einem der Aussichtspunkte. Hier ist es zwar nicht wesentlich kühler – 39 Grad nachts – aber ruhiger. Denkste. Früh um 8 Uhr werde ich wach, weil ein Roadrunner – das sind diese komischen Vögel, die ständig auf die andere Straßenseite wollen und zwar zu Fuß – vor unserem Auto sitzt und es lautstark beschimpft.

 

Nach dieser Hitze brauchen wir erst einmal Abkühlung. Die verschaffen wir uns im Zion Nationalpark auf einer Wanderung zu den „Narrows“. Dort nämlich, wo der Canyon so eng wird, dass der Fluss direkt an die Felswände stößt, dort führt der Weg direkt durchs Wasser. Leider sind wir nicht die einzigen, denen der Sinn nach Abkühlung steht. Im Gänsemarsch waten wir mit unzähligen Gleichgesinnten durchs Wasser. Das  Naturerlebnis bleibt dabei zunächst auf der Strecke. Doch je tiefer das Wasser und je enger die Schlucht, desto weniger Touristen. Tobias’ Schuhe finden das Bad nicht so toll und lösen sich ihre Bestandteile auf. Wo bekommen wir jetzt neue Trekkingsandalen in Größe

47? Nach einem Abstecher zu den Pink Coral Sand Dunes kehren wir wieder zum Grand Canyon zurück. Diesmal an die Nordseite. Hier ist zwar viel weniger los als auf der Südseite, allerdings vermittelt der Canyon hier auch nicht die Monumentalität wie auf der gegenüberliegenden Seite. Weniger steile Abbrüche, keine Drop-Offs, kein so guter Blick auf den Colorado-River – dafür aber eine faszinierende Landschaft drum herum. Nur zum Spaß fahren wir ein paar der Schotterpisten durch den Wald und entdecken einen wunderschönen Übernachtungsplatz, den wir allerdings wegen der Gewitterwolken über uns wieder aufgeben. Auch den zweiten Platz, den wir finden, müssen wir wieder räumen. Die Gewitterwolken haben ihre Richtung geändert und verfolgen uns. Aber schließlich finden wir noch einen geeigneten Platz und bleiben tatsächlich von Regen und Gewitter verschont. Vorerst.

 

Über die Houserock-Valley-Road, die entlang der Vermilion-Cliffs führt, erreichen wir Lake Powell, einen Stausee, der zweitgrößte See der USA

übrigens, der entstanden ist, indem man den zweitgrößten Canyon der USA, den Glen Canyon, unter Wasser gesetzt hat. Hier haben wir endlich einmal Zeit und Muse, unseren schleichenden Plattfuss hinten rechts beheben zu lassen. Seit New Mexico müssen wir in immer kürzeren Abständen Luft nachpumpen. Da jetzt der Reifen allmählich schneller Luft verliert, als wir eine Tankstelle finden, ist Eile geboten. In der Nacht blitzt und donnert es. Zeitweise ist der Sturm so stark, dass wir sogar das Dach wieder einklappen. Trotz wenig Schlaf schaffen wir es am nächsten Morgen rechtzeitig zu einer Lotterie der ganz besonderen Art. Um 9 Uhr wird nämlich in der Rangerstation ausgelost, wer am nächsten Tag zur Welle darf. Nur 20 Personen pro Tag erhalten die Erlaubnis. 10 Permits werden über Internet vergeben. 10 Permits auf Walk-in-Basis. Wir haben Glück. Wir sind dabei. Morgen.

 

In der Rangerstation hängt die Wettervorhersage für den heutigen Tag. 20 Prozent Wahrscheinlichkeit für ein Gewitter. Wahrscheinlich in den Abendstunden. Ideale Bedingungen für eine Wanderung in den Paria-Canyon. Unermüdlich wandern wir im ausgetrockneten Flussbett entlang, bis hinein in die Narrows, die engste Stelle der Schlucht. Hier kehren wir um. Kurz darauf ziehen hinter uns dunkle Wolken auf. Eine halbe Stunde später fängt es an zu regnen, dann blitzt und donnert es genau über uns. Bis zum Parkplatz ist es noch gut eine Stunde Gehzeit. Wir suchen Unterschlupf in einer der ausgewaschenen Höhlen in der Canyonwand. Dort harren wir fast eine ganze Stunde aus.  Aber der Regen wird immer schlimmer, nimmt schon fast monsunartige Ausmaße an. Auch das Gewitter mag einfach nicht weiter ziehen. Dafür steigt das Wasser vor unserer Höhle immer weiter an. Tobias riskiert schließlich einen Blick um die Ecke und sieht, wie aus einer Biegung nicht weit von uns entfernt braune Wassermassen zurück in das Canyonbett spritzen. Schlagartig haben wir die Tafeln, die vor einer Flashflood, also einer Blitzflut warnen, wieder vor Augen. Nichts wie raus hier. Im Laufschritt hetzen wir durch die Schlucht, die mittlerweile schon knöcheltief unter Wasser steht. Immer wieder blitzt und donnert es über unseren Köpfen. Nass bis auf die Knochen und über und über mit Schlamm bespritzt retten wir uns schließlich in unseren Landy. Eine weitere Stunde später ist das Unwetter vorbei. Die Sonne scheint wieder. Doch erst jetzt füllen sich die vielen Fluss- und Bachläufe, die die Straßen queren, mit Wasser. Die Zufahrtstraße zum Canyon, unser Rückweg, ist an manchen Stellen weich und schlammig, an anderen Stellen ist der Weg zur Hälfte weggespült. Wir beschließen, direkt am Wirepass-Trailhead, dem Ausgangspunkt für die Wanderung zur Welle, zu übernachten, um nicht zu riskieren, dass die Wanderung wegen einer unpassierbaren Straße sprichwörtlich ins Wasser fällt.

 

„The Wave“, eine Welle aus Stein, die in Gelb-, Orange- und Rottönen farbenprächtig leuchtet, liegt mitten in der Paria Wildnis. Kein Wegweiser, kein Schild deutet ihre Existenz an. Damit man sie findet, bekommt man von der Rangerstation eine Wegbeschreibung samt Landschaftsbildern und Koordinaten. Der Weg zur Welle führt zum größten Teil über Felsen. Man sieht sie erst, wenn man genau vor ihr steht. Dann aber raubt einem das, was man sieht, den Atem. Obwohl die Welle gerade mal 100 Meter lang ist, verbringen wir mehr als 3 Stunden dort.  Immer wieder entdecken wir neue Strukturen, immer wieder leuchten die Bögen in anderen Farben und Schattierungen. Die Welle ist eines dieser Naturwunder, die man nur schwer beschreiben kann. Man muss sie sehen. Am besten mit eigenen Augen.

 

Leider wird dieses einmalige Erlebnis durch einen erneuten Defekt an unserem Landy überschattet. Die Warnleuchte der Handbremse leuchtet während des Fahrens auf – natürlich obwohl die Handbremse nicht angezogen ist. Außerdem läuft Bremsflüssigkeit aus. Wir schlagen im Handbuch nach und mutmaßen, dass ein Leck im Bremssattel die Ursache sein könnte. Ein Besuch einer Autowerkstatt in Kanab bestätigt zwar unsere Vermutung, hilft uns aber nicht weiter, da man das entsprechende Ersatzteil nicht vorrätig hat und es außerdem Freitagnachmittag ist. Aber solange die Bremse noch bremst, lassen wir uns das Wochenende nicht verderben. Außerdem ist unser Auto so schwer, dass es in der Regel von allein stehen bleibt, sobald man den Fuß vom Gas nimmt. Also geht die Fahrt weiter zum Bryce Canyon. Der Bryce-Canyon begeistert vor allem durch seine filigranen Felsformationen und die zarten Rosatöne. Kein Fluss, sondern die Kräfte von Wind, Wasser und Sand haben diesen Canyon geformt und tun es auch noch heute. Die enge Schlucht der „Wall Street“ entlang des Navajo-Loops ist gesperrt, weil vor einigen Tagen schwere Felsbrocken herunter gefallen sind und nun den Weg versperren. Getreu unserer Erkenntnis, dass man in einen Canyon hinabsteigen muss, um seine wahre Schönheit

zu entdecken, laufen wir den Navajo-Loop soweit es geht und setzen dann unsere Wanderung entlang des Peekaboo-Loops fort. In steilen Serpentinen geht es rauf und runter und wieder rauf und wieder runter und so weiter. Aber die Anstrengung wird mit spektakulären Ausblicken belohnt. Mit ein bisschen Fantasie kann man in den Zacken und Zinnen der Felsen Menschen, Tiere und Bauwerke erkennen. Eine Legende der Paiute-Indianer besagt, dass der Gott Coyote einst aus Zorn über die Unzufriedenheit der Bewohner eine ganze Stadt versteinert hat. Die Paiute-Indianer haben es vermieden, in den Canyon hinabzusteigen – aus Angst, selbst in Stein verwandelt zu werden. Und tatsächlich: Auch unsere Beine fühlen sich so schwer wie Steine an als wir endlich wieder den oberen Canyonrand erreichen. Zeit, sich um unseren Landy zu kümmern. Vor uns liegen vier Stunden Autofahrt nach Salt Lake City, zum Landrover- Händler. Doch davon mehr im nächsten Bericht.

 

Fazit: Der Grand Canyon und das Monument Valley sind groß. Zion, Bryce und Paria sind großartig. Aber die Welle  ist DAS Highlight auf unserer bisherigen Reise.


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